Es war einmal… Erzählforschung in digitaler Form

Werwölfe, Hexen und (Hyper-)Graphen. In der Erzählforschung trifft man auf wiederkehrende Motive, wie Werwölfe oder Hexen. Durch die Vernetzung der Motive und deren Handlungsstränge lassen sich diese besser analysieren und ermöglichen den Erzählforschern so neue, interessante Einblicke. In seinen Projekten untersucht Dr. Meyer, wie sich diese Vernetzungen effizient durch sogenannte Hypergraphstrukturen darstellen und analysieren lassen.

Digitalisierung der Uneinheitlichkeit. Liegen Daten noch nicht digital vor oder sind in unterschiedlichen Formaten gespeichert, so müssen diese zunächst digitalisiert bzw. in eine geeignete Form gebracht werden. Auf Basis bisheriger Projekte, insbesondere im Umfeld der Geisteswissenschaften, haben Dr. Meyer und seine Kollegen Prozesse entwickelt, um eine umfassende Tiefenerschließung von großen, heterogenen Dokumentmengen zu realisieren.

Nahe am Anwender. Durch Crowdsourcing und Citizen Science können die Inhalte und die Bedeutung von Texten erschlossen werden, da diese durch automatisierte Prozesse nicht vollständig erschlossen und verstanden werden können. Durch KI-Techniken, wie dem Natural Language Processing und neuronale Netze, lassen sich Texte und Bilder vorverarbeiten, um Anwendungsexperten bei ihrer Arbeit zu unterstützen.

Kompetenzen im Bereich der künstlichen Intelligenz und Data Science

  • Speicherung und Analyse von komplexen Graphstrukturen und semistrukturierter Daten
  • Datenbankunterstützung für digitale Bibliotheken, Archive und Forschungssammlungen
  • Vernetzung von Informatik mit anderen Wissenschaften und Anwendungsgebieten

Dr.-Ing. Holger Meyer

Lehrstuhl Datenbank- und Informationssysteme, Universität Rostock

Ausgewählte Projekte

ISEBEL: Transatlantische Erzählforschung

Wie und von wem werden Informationen weitergegeben? Wie werden sie beim Zuhörenden zu persönlichem und in der Menge zu kollektivem Wissen? Das sind Fragestellungen, die auch heute im Zeitalter der „Fake News“ und sozialen Netzwerke brisant sind, aber bereits im 19. Jahrhundert eine wichtige Rolle spielten. Das Projekt „Intelligent Search Engine for Belief Legends (ISEBEL)“ widmet sich der Analyse und Suche von Erzählüberlieferungen aus volkskundlichen Sammlungen, die länderübergreifend verknüpft werden.

Bei ISEBEL handelt es sich um ein internationales Projekt im Bereich der „e-Humanities“, welches speziell Big-Data-Technologien für die Geisteswissenschaften eröffnet. Hierbei arbeiten Ethnologen, volkskundliche Erzählforscher, Folkloristen, Linguisten und Literaturwissenschaftler nicht nur fächer-, sondern auch länderübergreifend mit Informatikern zusammen. Seitens der Rostocker Informatik wird ein eigens entwickeltes Hypergraph-Datenbanksystem herangezogen, das bereits im digitalen Wossidlo-Archiv erfolgreich eingesetzt wurde.

WossiDiA: Das digitale Wossidlo-Archiv

WossiDiA – hinter diesem Namen verbirgt sich die digitalisierte Version des Zettelkastensystems des Feldforschers Richard Wossidlo (1859-1939). Wossidlo war in ganz Mecklenburg unterwegs und schuf – zusammen mit vielen ehrenamtlichen Sammelhelfern – eine einzigartige ethnografische und regionalsprachliche Sammlung.

Nutzer können in dem Archiv nach Volksüberlieferungen in der nach Arbeits- und Lebensbereichen verschlagworteten Zettelsammlung suchen und finden die damit inhaltlich verknüpfte Beiträgerkorrespondenz. Diese enthält zahlreiche Beiträge über überregionale Traditionen und Bräuche. Der alphabetische Zettelkatalog Wossidlos sowie das Mecklenburgische Wörterbuch ermöglichen weitere Einblicke in die Erzählforschung.

WossiDiA stellt etwa zwei Millionen, zumeist handschriftliche Dokumente im freien Zugang online zur Verfügung. Diese können durch Angabe von Schlag- und Stichwörtern sowie Personen-, Orts- und Zeitangaben durchsucht werden. Umfangreiche Transkriptionen und Erklärungen, wie z.B. zu den verwendeten Kürzeln, erleichtern die Suche und Recherche.

HyDRA: a HYpergraph of Documents in a Relational Archive

Digitale Bibliotheken und Archivsysteme, wie WossiDiA, enthalten hochgradig vernetzte Strukturen sowie komplexe, dynamische Dokumente. Im System HyDRA/Powergraph werden typisierte, gerichtete Hypergraphen zur Modellierung dieser hochvernetzten Dokumentmengen verwendet. Ein weiteres Forschungsthema im Themenfeld Hypergraphen ist die Anfrageverarbeitung und -optimierung und die Entwicklung effizienter Speicherungsformen. Hypergraphen werden weiterhin in der analogen Langzeitsicherung untersucht, sowie zur Umsetzung konzeptueller Modelle benötigt, die in digitalen Archiven, Bibliotheken und Museen eine zentrale Rolle spielen.