KI in den Lebenswissenschaften: Diagnosen, Prognosen, Therapien und Medikamentenentwicklung verbessern

Immer komplexere Daten in den Lebenswissenschaften. Mit dem technologischen Fortschritt steigt auch die Komplexität der dadurch gewonnenen Daten, auch in den Lebenswissenschaften. Das bedeutet, dass potentiell mehr wertvolle Informationen verfügbar sind. Um jedoch an die tatsächlich relevanten Informationen zu gelangen, bedarf es geeigneter Verfahren der Data Science oder KI.

Computergestützte Bildanalysen in der Medizin. Das Rostocker Team der Systembiologie und Bioinformatik hat sich u.a. darauf spezialisiert, medizinische Bilder, z.B. von Blutproben oder Magnetresonanztomographie-Aufnahmen (MRT), zu analysieren, um Diagnosen und Prognosen für bestimmte Krankheitsbilder zu verbessern.

Workflows für Datenanalysen. Im Bereich Data Science und KI stehen viele Werkzeuge und Algorithmen zur Verfügung, doch nicht jedes Verfahren eignet sich gleichermaßen für verschiedene Datensätze. Prof. Wolkenhauer und seine Mitarbeiter entwickeln für spezifische Anwendungsfelder eigene Prozessabläufe (Workflows), beispielsweise zur Bestimmung eines Differentialblutbildes zur Verbesserung der Diagnostik.

Kompetenzen im Bereich der künstlichen Intelligenz und Data Science

  • Netzwerk- und Prozessanalysen mit Methoden der Systemtheorie
  • Mustererkennung und Bildanalysen mit Methoden des maschinellen Lernens
  • Algorithmen für Entscheidungssysteme
  • Integration, Analyse und Visualisierung von heterogenen Datensätzen
  • Analyse „unausgeglichener“ Datensätze („imbalanced datasets“)

Prof. Dr. Olaf Wolkenhauer

Lehrstuhl Systembiologie und Bioinformatik (SBI), Universität Rostock

Ausgewählte Projekte

Therapeutische Entscheidungen mit Daten aus klinischen Studien

Nach einem Herzinfarkt folgt häufig eine Bypass-Operation. Als zusätzliche Therapie werden seit einigen Jahren ergänzend Stammzelltransplantationen durchgeführt, die die Heilungschancen verbessern sollen. Mit Hilfe von Methoden des maschinellen Lernens ist es gelungen, mit 96%-iger Genauigkeit vorherzusagen, ob eine zusätzliche Stammzelltherapie die Herzunktion nach der OP verbessern wird. Dazu wurden Informationen aus Blutproben der Patienten extrahiert. Die Analysen können weiterhin durch MRT-Aufnahmen vom Herzen verbessert werden.

KI-Diagnose­werkzeuge für die bildbasierte Durchfluss­zytometrie

Das Differentialblutbild gehört zu den wichtigsten Routineuntersuchungen in der medizinischen Labordiagnostik. In der Regel werden dabei fluoreszenzmarkierte Chemikalien eingesetzt, um Blutzellen quantifizierbar zu machen. Das Team der Systembiologie und Bioinformatik entwickelt Methoden zur Differentialblutbildbestimmung, bei der die fluoreszenzbasierte Analyse durch eine computerunterstützte Mustererkennung von Zellen ersetzt wird. Dazu wird die bildgebende Durchflusszytometrie genutzt, mit der detaillierte Bilder einzelner Blutzellen im Hochdurchsatz-Verfahren erzeugt werden können. Diese Methode erfordert weniger Laborarbeit und ist somit schneller und kostengünstiger als bisherige Verfahren. Ziel ist der Einsatz im klinischen Alltag, beispielsweise zur Identifikation von Infektionen oder Autoimmunerkrankungen.

Weitere Informationen

Maschinelles Lernen für unausgeglichene Datensätze

In realen Szenarien sind Datensätze oft unausgewogen. Das heißt, die Datensätze, die für das überwachte Lernen bestimmt sind, teilen sich in Klassen auf, in denen es in einigen Klassen im Vergleich zu den anderen eine sehr große Anzahl von Instanzen gibt. Das Training von maschinellen Lernalgorithmen auf solchen Daten ist eine Herausforderung. Die „Synthetic Minority Oversampling Technique“ (SMOTE) ist der Pionier vieler anderer effektiver Techniken für das sog. „Oversampling“. Am SBI wurde der Algorithmus „Localized Randomized Affine Shadowsampling“ (LoRAS) entwickelt. Die Grundidee dieses Algorithmus ist es, den Datenverteiler der Minderheitenklasse lokal zu approximieren und Proben aus dem lokal approximierten Datenverteiler für das Oversampling zu entnehmen. Beim Testen von LoRAS auf einigen öffentlich zugänglichen Datensätzen konnte festgestellt werden, dass die verbesserten Modellleistungen im Vergleich zu mehreren modernen Oversampling Algorithmen deutlich sichtbar werden.

Erklärbarkeits­­algorithmen für medizinische Diagnostik-Tools

Bei der Auswertung von bildgebenden Verfahren (Röntgen, CT, MRT) existieren bereits viele Assistenzsysteme, um die Bilder für eine Diagnose visuell aufzubereiten. Software-Tools unterstützen dabei Ärzte durch Segmentieren und Annotieren von interessanten Regionen in medizinischen Bildern sowie beim Diagnostizieren von Krankheiten. Insbesondere in den letzten Jahren hat die Auswertung von medizinischen Bilddaten mithilfe der künstlichen Intelligenz große Fortschritte erzielt.

Um die Akzeptanz bei Ärzten zu erhöhen, sollen Diagnosen nachvollziehbar gemacht werden. Der größte Vorteil von häufig verwendeten neuronalen Netzen ist jedoch gleichzeitig ein großer Nachteil: Durch ihre Komplexität ermöglichen sie Klassifikationen zwar bei schwierigen Fragestellungen, die hintergründige Entscheidungsfindung lässt sich aber kaum nachvollziehen. Die Nachvollziehbarkeit kann jedoch durch neuartige Methoden durch sog. „Explainable“ oder „Reasonable“ KI erhöht werden. Hier wird speziell bei Bilddaten meist eine modifizierte Version des Bildes ausgegeben, in dem spezifische Bereiche gekennzeichnet sind, die für das Netzwerk von hoher Bedeutung für eine bestimmte Diagnose/Klassifikation sind.

Am SBI werden bestehende Algorithmen der „Explainable“ KI auf medizinische Diagnostiktools angewandt, sowie neue Methoden speziell für diesen Anwendungsfall entwickelt.